Die tiefe Halsfaszie

Der tiefen Halsfaszie – der Fascia cervicalis profunda – möchte ich einen ganz eigenen Artikel widmen, da ich sie als eine der wichtigsten Faszien nicht nur für die Biomechanik sondern auch für den Zustand der inneren Organe errachte.

Zuerst etwas Anatomie: Ihren Ansatz findet sich am Keilbein, am Unterkiefer und am Atlas. Sie zieht dann weiter zum Brustbein (Sternum) und zu den ersten Rippen. Sie bildet quasi die Muskelfaszie der Unterhalsmuskulatur. Ganz in der Tiefe überzieht die Fascia cervicalis profunda die Speiseröhre, die Luftröhre, den Kehlkopf sowie die Schilddrüse. In ihr befinden sich auch wichtige Nervengeflechte (der Plexus brachialis).

Die tiefe Halsfaszie kann sehr leicht irritiert werden, zum Beispiel durch den Einsatz von Martingal, Schlauf- oder Dreieckszügeln, aber auch durch Tritte von anderen Pferden oder Aufpralltraumen. Somit ist auch eine Komprimierung von Speise- oder Luftröhre relativ leicht möglich.

Da sie am Atlas ansetzt, kann sie bei Verspannungen schnell Fehlstellungen im Atlas herbeiführen, die dann wiederum zu Stellungsproblemen oder Verwerfen des Genicks führen können. Weiter kann sie das Brustbein in dessen Lage verschieben.  

Wie oben erwähnt verläuft der Plexus brachialis (ein Nervengeflecht des peripheren Nervensystems) in dieser Faszie. Ist sie nun also deutlich verspannt, kann dies zu Problemen in Innervation und Durchblutung der gesamten Vordergliedmassen führen. Da der Plexus brachialis auch Teile der Rumpfwand mit Nerven versorgt, kann eine nicht physiologisch arbeitende tiefe Halsfaszie sogar Auswirkungen auf die inneren Organe haben.

Darum halte ich die tiefe Halsfaszie und ihre umgebende Muskulatur als so wichtig:

Die tiefe Muskelschicht der Halsmuskulatur sowie deren Faszien sind reich an Propriozeptoren, die massgeblich am Gleichgewichtssystem beteiligt sind. Ein Training dieser Muskelschicht führt zu einem gut koordinierten Pferd, das weniger anfällig ist für Verletzungen und sich auch schneller an neue Orte, Böden, Hindernisse adaptieren kann. Ausserdem sind prima koordinierte Pferde stets weniger schreckhaft.

Ein gutes Training der tiefen Halsmuskulatur erreiche ich durch korrektes! Vorwärts-Abwärts reiten, durch Geraderichten, in dem ich im Gelände viel auf unterschiedlichen Böden unterwegs bin sowie durch variantenreiche Stangenarbeit mit angehobenem Brustkorb. Für das Training der tiefen Halsmuskulatur und deren Faszien reite ich NIE zu früh irgendwelche Lektionen.

Apropos Hals: Der Hals- und Kopfbereich dient dem Pferd mitunter als wichtiges Kommunikationsmittel gegenüber seinen Artgenossen und dem Menschen. Bewegungseinschränkungen, zum Beispiel durch zu tiefes Reiten mit eingerolltem Hals, durch absolute Aufrichtung, durch Hilfszügel etc., beeinträchtigen nicht nur das Bewegungsverhalten, sondern schlussendlich auch das Sozialverhalten sowie das allgemeine Wohlbefinden des Tieres!

Im Video siehst du meine Fjödur. Da sie Stangenarbeit eher mau findet, trainieren wir eben unter anderem an solchen Hindernissen ihre Propriozeptoren.